Libanon: Ein Weihnachtsbrief aus Beirut

22.12.2016 - 11:24:00

tl_files/bilder/Nachrichten/2016 - Juli - Dezember/season.jpgPfarrer Jonas Weiß-Lange von der deutschsprachigen Evangelischen Gemeinde zu Beirut geht in seinem Weihnachtsbrief auf die schwierige Lage im Nahen Osten ein. Zudem weist er auf die Not der evangelsichen Gemeinden in Syrien hin und zitiert zwei Pfarrer aus Aleppo und aus Qamishly, mit denen das GAW zusammenarbeitet.

Ein Brief aus Beirut:

"Season's Greetings – eine freundliche und zugleich sehr harmlose Art, sich Frohe Festtage zu wünschen. Denn: Worum es in diesem Fest gehen könnte, spielt dabei keine Rolle. Meine Season's Greetings habe ich in diesem Jahr schon im Oktober »erhalten« – in einem Flüchtlingslager. Mehr schlecht als recht versuchen die syrischen Flüchtlinge in der Bekaa ihren kleinen Wohnraum mit allen Materialien zu schützen, deren sie habhaft werden. Ein Zelt war mit einer bedruckten Plastikplane bespannt: »Season's Greetings« komplett mit Christbaumschmuck.

Doch was für ein Fest! Alles andere als harmlos!

Im Mittelalter wurde vor dem Krippenspiel ein Paradiesspiel aufgeführt. An prominenter Stelle wurde vom Paradiesbaum ein Frucht gepflückt; nach zeitgenössischer Vorstellung ein roter Apfel. Mit der Zeit wurden Baum und Frucht immer luxuriöser – eben paradiesisch, woran bis heute die Christbaumkugeln erinnern sollen.

Nikolaus Herman hat die Ansicht in seinem Choral „Lobt Gott, ihr Christen alle gleich« 1560 so verdichtet: »Heut schließt er wieder auf die Tür / zum schönen Paradeis; / der Cherub steht nicht mehr dafür. / Gott sei Lob, Ehr und Preis, / Gott sei Lob, Ehr und Preis!«

Und in Flüchtlingslagern im Libanon und anderswo?

Wenn wir in unseren Gottesdiensten – wie in den meisten deutschsprachigen Weihnachtsgottesdiensten – wieder singen werden: »Welt ging verloren, Christ ist geboren«, so denke ich zuerst einmal an diese Weltgegend hier, in der Christen und Muslime so viele Jahrhunderte Wege gefunden haben, zusammen zu leben. Und nun sind so viele auf der Flucht. Ganze Welten sind in Gefahr, verloren zu gehen. Vor allem für Christen am Euphrat und Tigris, wie schon zuvor in der Türkei, und nun in so vielen Ländern des Nahen Ostens.

Mein Wunsch: Wenn ihr an Heilig Abend »Welt ging verloren, Christ ist geboren« singen werdet, denkt an uns, an die
Christen im Nahen Osten, die auch Hilfe aus Deutschland brauchen, um hier bleiben zu können. Hier hat alles begonnen. Die Wiege des Christentums steht hier. Aus Galiläa kam Jesus nach Tyros und nach Sidon. In Damaskus hatte Paulus seine wirkmächtige Vision von Christus.

Aber so viele gehen von hier weg – nicht nur der Arbeit wegen, sondern auch auf Grund des anwachsenden Fanatismus und der Gewalt, vor allem in Syrien und dem Irak. Das birgt die Gefahr, dass der christliche Glaube sich still und leise aus der Region verabschiedet, ohne dass die Welt viel davon mitbekommt.

»Wir warten darauf, dass die westliche Welt nach Frieden schreit für den Nahen Osten!« Das sagte ein Pfarrer aus Aleppo bei einem Treffen von evangelischen Kirchen des Nahen Ostens mit Partnern aus dem Westen in Beirut. Das war Ende November. Und er fügte hinzu: »Wir brauchen unsere Schwestern und Brüder in der protestantischen Welt, damit sie auf ihre Regierungen einwirken, dass endlich der Krieg aufhört. Je länger der Krieg dauert, desto schlimmer wird es. Es darf nicht sein, dass Christen aus dem Nahen Osten die Region verlassen. Der Nahe Osten braucht das christliche Zeugnis und er braucht Gesellschaften, in der unterschiedliche Religionen miteinander zusammenleben.«

Season's Greetings,

Ihr/Euer Jonas Weiß-Lange, Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Beirut / Libanon

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